Unter der Meeresoberfläche beginnt eine neue Welt. Hier gibt es hohe Berge, dunkle Höhlen und Lebewesen in allen Formen, Farben und Größen. Marta Markiewicz wagt in diesen Tagen ihre ersten Schritte zu diesem anderen Gesicht der Erde, bei einem Anfängerkurs im Tauchen auf der kroatischen Insel Vis.
„Wie unfassbar groß das hier ist“, so beschreibt die Polin ihre ersten Gedanken beim Blick unter Wasser in Richtung offenes Meer. „Ich war begeistert, aber ich hatte auch Angst. Es fühlt sich endlos an. Die Insel neben dir ist plötzlich nur noch die oberste Spitze eines Berges und in der anderen Richtung siehst du nur blau blau blau – und du bist der Astronaut mittendrin.“
Bislang hat die 30-Jährige sieben Tauchgänge erlebt. Ihre großen grünen Augen leuchten und sie lächelt breit, wenn sie von den malerischen Ausblicken auf die Riffe spricht, vor denen sich Fischschwärme tummeln, angeleuchtet von an der Oberfläche gebrochenen Sonnenstrahlen. Und dennoch, das neue Hobby hat auch seine anstrengenden Seiten. „Am Ende eines Tauchgangs bin ich meist erschöpft. Darum möchte ich meine Schwimmtechnik unter Wasser verbessern, damit sie effektiver wird und ich nicht immer so schnell kaputt bin.“ Außerdem möchte Markiewicz ihren Atem besser kontrollieren und an ihrer Stabilität im Schwebezustand arbeiten.
Diese Anstrengungen könnten sich lohnen. Schließlich gibt es viel zu entdecken unter Wasser. Blutigen Anfängern, die noch stark mit der Technik beschäftigt sind, fällt es mitunter schwer, auf die bunten Pflanzen und Tiere zu achten. Später wird es immer leichter, wundersame Meeresbewohner zu finden und sie – zum Beispiel – zu fotografieren.
Doch auch Unterwasserfotografie will gelernt sein. „Wenn man seine Balance nicht halten kann, wirbelt man ständig mit den Flossen den Sand am Meeresboden auf. Auf diese Weise kann man den Seestern eben nicht sauber fotografieren“, erklärt Piotr Stós. Dem großen herzlichen Polen gehört das ebenfalls polnische Tauchzentrum Nautica auf Vis, in dem Markiewicz ihren Kurs absolviert.
Der 51-Jährige weiß, wovon er spricht, schließlich kümmert er sich in
seinem Laden nicht nur um Bürokratie. Er ist studierter Meeresbiologe, Tauchlehrer und: Fotograf. Überall im Tauchcenter hängen seine Fotos von Seepferdchen, Muscheln und Tauchschülern. So lässt Stós es sich nicht nehmen und unterrichtet die Kurse in Unterwasserfotografie selbst, wenn er vor Ort ist, anstatt diese Aufgabe seinen Angestellten zu überlassen. Die Kameras mit den entsprechenden wasserdichten Hüllen kann man von Nautica leihen.
„Unterwasserfotografie wird schwieriger, je tiefer man taucht“, erklärt Stós. „Denn es wird immer mehr Licht absorbiert.“ Außerdem verschwänden immer mehr Farben, berichtet er weiter. Schon in etwa zehn Metern Tiefe gibt es ohne Taschenlampe kein Rot mehr, als nächstes
verbleichen die Gelbtöne und so geht es weiter im Farbspektrum. „Am leichtesten ist hier die Makrofotografie, also das Ablichten von kleinen Objekten von ganz nah. Hier kann man den Blitz der Kamera einsetzen, um alle Farben sichtbar zu machen. Und das scharf stellen ist leichter.“ Der Winkel von schräg unten lasse die Fotos nachher am interessantesten wirken.
So verbringt man als Schülerin von Stós unter Wasser viel Zeit damit, einzelne kleine Lebewesen vorsichtig zu beobachten. Dabei entdeckt man ganz nebenbei ihre Besonderheiten: zehn Zentimeter kleine Fische beim Paarungsritual und beim Nestbau. Oder man verharrt Minuten lang vor einer kleinen Öffnung im Fels, aus der das wachsame Auge eines Oktopus hervorlugt. Eine tolle Erfahrung für jeden Taucher und eine gute Schule, die lehrt, nicht einfach an den interessanten Dingen vorbei zu schwimmen, sondern ihnen Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken.
Diese lebendige Unterwasserwelt rund um die Insel Vis ist atemberaubend, aber doch an vielen Orten der Welt zu finden. Das Besondere an den Tauchgängen hier ist menschengemacht: Etwa ein Duzend Schiffe und Flugzeuge ist rund um die Insel gesunken und bietet Möglichkeiten für spektakuläre Wracktauchgänge. Leider liegen die meisten so tief, dass sie nur von höchst erfahrenen Tauchern bestaunt werden können.
Andrzej Górnicki, der Manager des Tauchcenters Nautica hat sie zahlreiche Male gesehen. „Die Flugzeuge sind großartig“, findet der 37-Jährige. „Die B-17, ein amerikanisches Bomber aus dem zweiten Weltkrieg, wollte auf Vis notlanden.“ Die Besatzung habe die Maschine nicht mehr bis auf die Landebahn, aber immerhin auf die Wasseroberfläche manövrieren können, erzählt er weiter. Fischer hätten die Männer gerettet, das Flugzeug aber sei auf den Meeresgrund gesunken. So blieb das 23 Meter lange und 25 Tonnen schwere Flugzeug in einem Stück und wurde zu einem Tauchplatz, der weltweit seines Gleichen sucht. Nur eben in 70 Metern Tiefe – und damit für den Durchschnittstaucher unerreichbar.
Anfänger wie Markiewicz dürfen zunächst nur 18 Meter unter die Oberfläche. Diese Regelung gilt weltweit und das aus gutem Grund. Górnicki erklärt: „In der Tiefe verbraucht man mehr Luft aus der Gasflasche. Zudem wird es dunkler und kälter. Nicht zu vergessen: Der Tiefenrausch.“
Unter Tiefenrausch versteht man die narkotische Wirkung, die der Stickstoff in der gepressten Luft in der Taucherflasche ab etwa 30 Metern Tiefe hat. Taucher wie Ärzte sprechen von einem Zustand recht ähnliche dem eines Alkohol- oder LSD-Rausches.
Gärnicki berichtet von seinen Erfahrungen mit Tiefenrausch als Tauchlehrer: „Ich hatte mal eine Tauchschülerin, die wollte sich auf dem Meeresgrund schlafen legen. Ein anderer nahm seinen Atemregler aus dem Mund und hielt ihn den Fischen hin. Später meinte er: ,Es war alles so wunderschön, die Farben und Geräusche, ich wollte das mit den Fischen teilen.‘ Anderen Tauchern geht es im Tiefenrausch schlecht. Sie fühlen sich allein, traurig und weit weg von zu Hause.“ Das Gefährliche: Ähnlich wie beim Alkohol merkt man beim ersten Mal meist erst hinterher, dass man tiefenberauscht war.
Schlechte Voraussetzungen also für Markiewicz und und die anderen Tauchanfänger auf Vis. Sie müssen noch länger üben, bevor sie die Wracks bestaunen dürfen.
Dafür ist eine viel ältere, ebenfalls menschengemachte Tauchattraktion in Anfängerreichweite. Seit dem zweiten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung liegen hunderte von römischen Amphoren auf dem Meeresgrund bei Vis. Die meisten sind in Scherben, doch einige auch noch ganz. Die römischen Handelsschiffe, die sie einst an Bord hatten, waren aus Holz. „Die Würmer haben sie längst gefressen“, erklärt Nautica-Besitzer Stós. „Zurück blieb die Fracht, also die Amphoren. Ich nenne das ,Wracks ohne Wracks‘. Es ist einfach wunderbar, etwas so altes unter Wasser sehen und tatsächlich vorsichtig berühren zu können.“
Dass so viele verunglückte Fahrzeuge um Vis herum liegen, sei kein Zufall, sagt Stós weiter. „Vis ist keine gefährliche Insel, aber eine geschichtsträchtige. Mehr als 2000 Jahre lang war sie ein wichtiger Anlaufpunkt für den Handel, aber auch für das Militär.“
Heute ist es ruhig geworden um Vis. Die Militärs sind abgezogen, wodurch die Population auf der Insel in den 90er Jahren von 20.000 Menschen auf rund 5000 zurück ging. Noch hat der sonst an der kroatischen Küste so dominante Tourismus das friedliche Eiland nicht eingeholt. Es liegt weiter draußen in der Adria als die meisten kroatischen Inseln. Die Autofähre braucht gut zwei Stunden vom Festland aus und kommt nur zweimal am Tag. Nach einem Campingplatz sucht man auf Vis vergebens, große Hotels gibt es kaum. „Eine solche Insel habe ich zehn Jahre lang gesucht“, schwärmt Górnicki. Jetzt darf er schon die zweite Saison hier verbringen.
Einzig im Juli und August wird es etwas voller. Dann kommen die Segler und machen Halt in den malerischen Buchten. Unter ihnen suchen Taucher nach den versunkenen Schätzen vergangener Zeiten.
Klasse Fotos! 😀
Das Foto ‘Wildwechsel ‘ist preiswürdig genial!
Eure Beiträge sind neben den schönen Fotos auch immer sehr informativ
wow, immer wieder schau ich euren aktuellen Bericht an, diese Unterwasserwelt ist schon sehr beeindruckend und ihr mitten drin!
So tolle Bilder, so schön beschrieben, super! Und wie viele Fragen hätt ich, wir sehen uns dereinst wieder, vielleicht kann ich sie dann anbringen 🙂
Herzliche Grüße von “oben” , aber nicht viel trockener 😉
wonderful pics, lovely story … Keep going further friends