Es geht bergauf. Die Bäume werden weniger, die Schneefelder größer. Banges Abwarten, ob die Reifen reichen und hoffen, dass die Straße keine weiße Decke bekommt, sonst müssten wir umkehren. Das Schild mit dem Hinweis auf die Schneekettenpflicht bis zum 30. April haben wir gerade mit dezent schlechtem Gewissen hinter uns gelassen. Wir fahren sehr langsam, hinter uns bildet sich eine Schlange ungeduldiger Einheimischer. Doch da müssen wir durch, haben wir uns doch gegen den Tunnel, die normalen Fernstraßen entschieden. Oder, frei nach Robert Frost für „the one (road) less traveled by“.
Zu oft sind die Alpen nach Ostern nur noch ein lästiges Hindernis auf dem Weg in den Sommerurlaub. Dabei kann man auf dem Weg doch einiges sehen und erleben, dachten wir uns – und fahren nun den bereits von den alten Römern genutzten Julierpass in der Schweiz südlich der Stadt Chur hinauf. Da fängt es an zu regnen, knapp 100 Meter vor dem Pass verwandeln sich die Tropfen in Flocken. Ein dichtes Treiben, die Sicht wird schlechter. „Umkehren?“ – „Erst wenn die nasse Straße unter uns gefriert.“ – „Und woran erkennen wir das?“ – „Na wenn uns das Wasser nicht mehr entgegen fließt.“
Plötzlich sind wir oben. Im Nachhinein war es gar nicht so wild. Oder die Erleichterung lässt den Schein trügen, schließlich tobt auf der anderen Seite des Berges kein Schneesturm mehr.
Unser nächstes Ziel, abgesehen von einem warmen Schlafplatz im Tal: der Reschensee im benachbarten Italien, ein 1950 gegen die Proteste der Bevölkerung errichteter Stausee. Von dem gefluteten Dorf mit dem bezeichnenden Namen Graun ragt nur noch der Kirchturm hervor, der aus Denkmalschutzgründen stehen bleiben durfte. Leider ist vom Dorf des Grau(e)ns nicht mal ein Taucherparadies geblieben, die Häuser wurden allesamt gesprengt. Was bleibt ist ein Parkplatz mit „Tower Imbiss“ und Spielplatz. Egal, es ist sowieso eiskalt und regnet in Strömen.
Die Nacht am See ist kurz und wird beendet durch lautes Klopfen an der Scheibe. Oh nein, wie war das nochmal mit dem Wildcampen in Italien? Draußen auf dem schlammigen Parkplatz wartet die Guardia di Finanza, eine italienische Polizeitruppe, unter anderem zuständig für den Zoll. Wie viel Benzin wir in den Kanistern auf dem Dach hätten. „Um die 20 Liter.“ – „Ok, dann entschuldigen Sie bitte die Störung.“
Auf dem Weg Richtung Bozen wird es langsam wärmer. Warum dann den direkten Weg nehmen, in der Gegend gibt es noch einige Pässe. Kurzerhand geht es zurück über die Schweizer Grenze auf den Ofenpass. Wie gehabt fängt es vor der Spitze an zu schneien, aber wir sind ja nun passerfahrene Bergleute und auf der anderen Seite ist es wiedermal freundlich. Die Serpentinen sind gut ausgebaut und es riecht nach Skiurlaub. Die Sonne zeigt sich und in der Haltebucht lässt sich ein hübscher Schneemann bauen.
Ein Stück weiter unten erwartet uns ein verwirrender Schilderwald: Maut, Zoll, Polizeikontrolle – was ist das? Ein Tunnel mit Ampel kommt dahinter. Wir fahren hinein, niemand hindert uns. Etwas erschreckt stellen wir fest: Die 3385 Meter lange Durchfahrt ist einspurig. Die Ampel an der Einfahrt regelt, dass nicht von beiden Seiten gleichzeitig Autos hineinfahren. Der gruselig dunkle und höhlenartige schnurgerade Weg mündet in einer Winteridylle – und kostet im Nachhinein 19 Euro.
Dafür landen wir am anderen Ende unverhofft in einer steuerfreien Zone zwischen der Schweiz und Italien. Mit der Tankfüllung haben wir die Durchfahrtskosten wieder drin. Das Dorf Livigno besteht aus Tankstellen, Duty Free Shops und Wintersporthotels. Die wenigen zu dieser Jahreszeit verbliebenen Skifahrer warten schon gegen halb drei nachmittags auf den Bus zurück zur Unterkunft, der matschige Kunstschnee hat wohl nicht mehr den gewünschten Spaß gebracht.
Raus aus der Steueroase für Touristen geht es nur – wer hätte es gedacht – über einen weiteren Pass. Direkt auf der Spitze steht das Zollhäuschen. Die uns mittlerweile wohl bekannte Guardia di Finanza fragt uns erneut nach unseren Benzinreserven und lässt uns freundlich passieren.
Nun folgt der entspannte Teil der Reise durch das idyllische Südtirol. Die übrigen drei, relativ niedrigen Pässe führen über grüne Berge, vorbei an Apfelblüten und durch kleine Dörfer. Die Einfahrt nach Bozen ist malerisch, die Sonne strahlt bei 20 Grad über die Weinberge. Man könnte meinen, der Sommer hat begonnen.
Liebe Laura, lieber Beni,
Das habt Ihr ganz ganz toll gemacht.
Sagenhaft.
So kann ich mit Euch mitreisen, ohne abspülen zu müssen.
Freue mich schon riesig auf die Fortsetzung.
Die ersten Bilder richte ich jetzt auf Sabines Laptop als Hintergrundshow ein.
Viel Spass
Peter
Hallo Ihr beiden,
sehr, sehr schön – die Bilder und der Text. Das ist richtig toll, auf diese Art mit Euch unterwegs zu sein. Weiter viel Glück und viel Spaß. Ich bin sehr gespannt, was noch alles kommt! Bei uns ist heute und morgen der Abenteuerfaktor eher klein: 70. Geburtstag von Moni hute und morgen 60. von Bernd (einem Freund). Aber mal abwarten, was der Spaßfaktor macht!